Pflegestufe vs. Pflegegrad: Was Sie über Unterschiede und Ansprüche wissen müssen

by admin

Wer sich mit dem Thema Pflegebedürftigkeit auseinandersetzt, stößt oft auf die Begriffe „Pflegestufe“ und „Pflegegrad“. Doch was bedeuten diese Begriffe eigentlich, und worin bestehen die Unterschiede? Während vor 2017 die Einstufung der Pflegebedürftigkeit in Pflegestufen erfolgte, wurde dieses System durch die Pflegegrade ersetzt. Warum es zu dieser Reform kam, was Pflegegrade heute leisten und wie sich Ansprüche verändert haben, erklären wir in diesem Artikel.

Von der Pflegestufe zum Pflegegrad: Ein Überblick

Bis Ende 2016 galten in Deutschland die sogenannten Pflegestufen. Es gab drei Stufen:

  • Pflegestufe I: Erhebliche Pflegebedürftigkeit, z. B. bei Hilfebedarf bei der Körperpflege, Ernährung oder Mobilität für mindestens 90 Minuten täglich.
  • Pflegestufe II: Schwerpflegebedürftigkeit, bei der der tägliche Pflegeaufwand mindestens drei Stunden beträgt.
  • Pflegestufe III: Schwerste Pflegebedürftigkeit mit einem Pflegeaufwand von mindestens fünf Stunden pro Tag.

Dieses Modell wurde 2017 durch die Pflegegrade abgelöst. Mit der Einführung des Zweiten Pflegestärkungsgesetzes (PSG II) wollte der Gesetzgeber eine gerechtere und umfassendere Bewertung des Pflegebedarfs schaffen. Insbesondere Menschen mit kognitiven Einschränkungen, wie etwa bei Demenz, sollten besser berücksichtigt werden.

Die Pflegegrade – ein neues Bewertungssystem

Seit Januar 2017 erfolgt die Einstufung in Pflegegrade. Diese reichen von 1 (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit) bis 5 (schwerste Beeinträchtigung mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung). Der Pflegegrad berücksichtigt nicht nur körperliche, sondern auch psychische und kognitive Einschränkungen. Das bedeutet, dass auch Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen in den Leistungsanspruch einbezogen werden können.

Die Einteilung in Pflegegrade erfolgt nach einem Punktesystem, das sechs Bereiche umfasst:

  • Mobilität: Wie gut kann sich die Person bewegen?
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Kann die Person sich orientieren und verständigen?
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: Gibt es Unruhezustände oder Ängste?
  • Selbstversorgung: Kann die Person sich selbstständig waschen, anziehen und essen?
  • Bewältigung von Alltagsanforderungen: Ist Unterstützung bei Haushaltsaufgaben oder Medikamenteneinnahme nötig?
  • Gestaltung des Alltagslebens: Wie stark ist die soziale Teilhabe eingeschränkt?

Auf Grundlage der Punkte wird dann der Pflegegrad ermittelt, der den Leistungsanspruch bestimmt.

Warum die Reform notwendig war

Die Umstellung von Pflegestufen auf Pflegegrade war notwendig, um den Pflegebedarf individueller und gerechter abzubilden. Vor 2017 konzentrierten sich die Pflegestufen überwiegend auf körperliche Einschränkungen. Kognitive und psychische Beeinträchtigungen wurden oft nur unzureichend berücksichtigt, was dazu führte, dass viele Betroffene keinen oder nur einen geringen Leistungsanspruch hatten.

Die Einführung der Pflegegrade ermöglichte eine umfassendere Bewertung. Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen können nun leichter den passenden Pflegegrad erhalten und von den entsprechenden Leistungen profitieren. Zudem wurde das System durch die Pflegegrade transparenter und nachvollziehbarer.

Unterschiede in den Ansprüchen

Mit der Einführung der Pflegegrade hat sich auch der Leistungsumfang geändert. Während sich die Leistungen in den Pflegestufen nach der benötigten Pflegezeit richteten, orientieren sich die Pflegegrade an der tatsächlichen Beeinträchtigung der Selbstständigkeit. Das bedeutet, dass der Pflegebedarf nun genauer erfasst wird und die Leistungen besser auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sind.

Leistungen nach Pflegegrad

Die Höhe und Art der Leistungen hängen vom Pflegegrad ab. Dazu gehören:

  • Pflegegeld: Für die Pflege durch Angehörige oder ehrenamtliche Helfer.
  • Pflegesachleistungen: Für die Unterstützung durch professionelle Pflegedienste.
  • Entlastungsbetrag: Für zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsangebote.
  • Wohngruppenzuschlag: Für die Pflege in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft.
  • Kurzzeit- und Verhinderungspflege: Für vorübergehende Pflege in einer Einrichtung oder durch externe Helfer, wenn die Hauptpflegeperson ausfällt.

Je höher der Pflegegrad, desto höher fallen die Leistungen aus. Zudem können Menschen mit Pflegegrad leichter zusätzliche Hilfen wie barrierefreie Umbauten oder Hilfsmittel beantragen.

Höhere Flexibilität und gezielte Förderung

Durch die Pflegegrade haben Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mehr Flexibilität bei der Wahl der Leistungen. Während die Pflegestufen stark an starre Vorgaben gebunden waren, können Pflegegrade individuellere Unterstützung bieten. So können Betroffene selbst entscheiden, ob sie lieber mehr Pflegegeld oder mehr Sachleistungen in Anspruch nehmen möchten. Dies erleichtert es, die Pflege an die persönliche Lebenssituation anzupassen.

Tipps für den Übergang vom alten zum neuen System

Wenn Sie oder Ihre Angehörigen vor 2017 bereits eine Pflegestufe hatten, wurde diese automatisch in einen Pflegegrad umgewandelt. Die Umwandlung erfolgte dabei nach klaren Vorgaben:

  • Pflegestufe I: Entspricht in der Regel Pflegegrad 2 (bei Vorliegen von Demenz Pflegegrad 3).
  • Pflegestufe II: Entspricht Pflegegrad 3 (bei Demenz Pflegegrad 4).
  • Pflegestufe III: Entspricht Pflegegrad 4 (bei Demenz Pflegegrad 5).

Betroffene müssen hierfür keinen neuen Antrag stellen. Allerdings sollten sie den Bescheid der Pflegekasse genau prüfen und sicherstellen, dass die Einstufung korrekt ist. Sollte der Pflegebedarf gestiegen sein oder sich verändert haben, ist ein neuer Antrag sinnvoll.

Fazit

Der Wechsel von Pflegestufen zu Pflegegraden hat das System der Pflegeversicherung deutlich verbessert. Die Pflegegrade ermöglichen eine gerechtere Einstufung, berücksichtigen kognitive und psychische Beeinträchtigungen und bieten eine größere Flexibilität bei den Leistungen. Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen bedeutet das mehr Transparenz, gezielte Förderung und individuellere Unterstützung.

Wer sich frühzeitig über die Unterschiede und Ansprüche informiert, kann die Leistungen optimal nutzen und so eine bestmögliche Versorgung sicherstellen. Ob bei der Umwandlung einer bestehenden Pflegestufe oder bei einem neuen Antrag: Mit den Pflegegraden ist es leichter, die passende Unterstützung zu erhalten und ein höheres Maß an Lebensqualität zu erreichen.

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